Wie realistisch sind die Affen im Film animiert und wie verhält sich die Situation der Schimpansen in freier Wildbahn.
Ein spannendes Interview mit dem Primatologen Dr. Tobias Deschner.
Dr. Deschner sieht in dem Kinofilm ‚Planet der Affen: Survival‘ spannende Themen, zu denen das Team des Max Planck Institut forscht, wie den Zusammenhalt bei kämpferischen Auseinandersetzungen oder Adoptionen verwaister Jungtiere bei Menschenaffen. Gleichzeitig gestaltet sich in der Realität die Situation der großen Menschenaffen noch viel dramatischer als im Film, denn durch Rodung, Wilderei und eingeschleppte Krankheiten ist die Existenz der nächsten Verwandten des Menschen und ihr Lebensraum auf diesem Planeten weiterhin akut bedroht.
Interview von Ron Junghans
In den Neuverfilmungen von ‚Planet der Affen‘ wurde immer auf eine sehr detailgetreue Animation geachtet.
Wie sehen Sie die Affen dargestellt, etwa in ihre Verhaltensweisen, Gesten oder Sozialverhalten?
Zunächst positiv herauszustellen ist die Tatsache, dass diese Filme durch Animation realisiert wurden und komplett auf wirkliche Tiere verzichtet wurde. Auf die ganze Tierquälerei, die leider noch in vielen Produktionen gang und gäbe ist, wurde hier ganz bewusst verzichtet. Dies ist für die Zukunft ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung.
Es ist einfach generell wichtig auf echte Tiere zu verzichten, denn um sie für Filmproduktionen zu trainieren, muss man sie früh von Ihrer Mutter/Gruppen trennen. Und genau dies ist eine Grausamkeit die man mit solchen hochsozialen, hochintelligenten Tieren nicht durchführen darf.
Zumal wenn die Tiere zu alt werden und nicht mehr so leicht zu kontrollieren sind, will man diese Tiere nur noch loswerden. Sie können jedoch nicht mehr einfach in andere Gruppen integriert werden, da sie arttypisches Sozialverhalten nie gelernt haben, normales Verhalten ist nicht mehr vorhanden.
Die Tiere im Film kommen schon sehr realistisch rüber, wobei sicher einige Gesten, oder auch die Augen angepasst wurden, um es für den Menschen attraktiv zu machen. Bekannte, eher menschliche Gesten wurden so bewusst eingebaut.
So haben Schimpansen sehr dunkle Augen, während Menschen über eine hellere Augenpartie verfügen. Bei Menschen sieht man beispielsweise viel besser wo dieser gerade hinschaut. Kleinste Augenbewegungen kann der Gegenüber erkennen, auch durch die Gesichtsmimik, dies wurde hier entsprechend für den Zuschauer angepasst, um mehr aus den Gesichtern der Affen lesen zu können. In einem Film indem es um Emotionen geht, ist dies sicher voll nachvollziehbar und macht dann auch Sinn.
Einige Gesten wie die Unterwerfungsgeste, die im Film dargestellt werden, sind nicht ganz realitätsgetreu dargestellt, aber natürlich gibt es diese in der freien Wildbahn.
Aber ohne diese „Anpassungen“ ist es für den eher „uniformierten Zuschauer“ schwieriger gewisse Verhaltensweisen im Film nachzuvollziehen. Daher sind diese Kompromisse um Verständnisprobleme vorzubeugen, sicher angebracht.
Wie trägt Ihrer Meinung nach diese Filmreihe auf ein besseres Verständnis zwischen Mensch – Affen und der Natur bei? Kann das ein Film überhaupt?
Zunächst kann dadurch erst einmal ein gewisses Interesse geweckt werden. Das ist auf jeden Fall positiv.
Die Filme und Affen an menschliche Verhaltensweisen anzupassen, trägt zunächst nicht dazu bei, dass man die Menschenaffen besser versteht.
Es wird ein Krieg zwischen Menschen und Menschenaffen dargestellt. Wo beide sehr brutal vorgehen und am Ende die Menschenaffen die Oberhand gewinnen.
Das ist natürlich unrealistisch und wird so nie passieren. Aber, der Krieg findet statt. Ein grausamer Krieg. Aber er ist einseitig.
Wir sind derzeit dabei, überall wo Menschenaffen in ihren natürlichen Lebensraum vorkommen, diese gnadenlos auszurotten. Darauf muss man hinweisen.
Bei dem zweiten Teil von Planet der Affen habe ich damals das gleiche über die Situation der Menschenaffen erzählt. Und heute 3 Jahre später kann ich nicht viel anderes sagen, sondern wenn seitdem etwas passiert ist, dann haben wir noch viel mehr Wälder verloren, viel mehr Tiere verloren. Und es ist nicht absehbar dass sich dieser Trend in den nächsten Jahren umdreht, wenn nicht notwendige Maßnahmen getroffen werden um das zu ändern.
In dem ersten Film wurden die Affen ja mit einem Virus infiziert, dass sie intelligenter macht. Dabei ist uns immer noch nicht bewusst, wie intelligent diese Affen wirklich sind. Wir sind jetzt erst dabei mehr und mehr zu verstehen zu welchen Dingen Sie fähig sind, was wir ihnen vor ein paar Jahren gar nicht zugetraut hätten. Es ist eine Ironie des Schicksals, wenn wir gerade zu dem Zeitpunkt an dem immer mehr dabei sind die Intelligenz dieser Tiere zu erfassen, sie ein für alle Mal aus dem Weg räumen und sie aus dieser Welt verschwinden lassen.
‚Gorillas im Nebel‘ hat vor fast 30 Jahren für viel Aufsehen gesorgt. Was ist von Diane Fossey’s Erbe übrig geblieben? Ist der Schutz der Berggorillas beispielsweise seither weiter vorangekommen?
Auf die Berggorillas bezogen ist das eine der ganz wenigen „Erfolgsgeschichten“ zum Schutz von Menschenaffen. Denn dort haben tatsächlich die Populationsgrößen in den Virunga-Bergen (An den Grenzen zu Demokratischen Republik Kongo, Ruanda und Uganda) in den letzten 30 Jahren zugenommen. Allerdings sprechen wir hier von kleinen Größenordnungen. Vor 30 Jahren gab es ungefähr noch 300 von diesen Tieren, mittlerweile sind wir bei ca. 450 angekommen. Die relativen Zahlen zeigen einen schönen Anstieg, aber das entscheidende ist, dass dieser Lebensraum in den hohen Berghängen, damals schon zum größtenteils zerstört war. Aber immerhin, hier gab es eine positive Entwicklung, wenn auch im kleinen Rahmen.
Wenn wir nun größere Zahlen wie bei den Schimpansen entgegenstellen, dann haben wir innerhalb der letzten 30 Jahre 90% der Population verloren. Das bedeutet, dass vor 30 Jahren in einem Größenbereich von mehr als 1 Million Schimpansen in den Wäldern Afrikas lebten. Und jetzt haben wir einen Größenbereich von ca. 100.000. Das sind dramatische Zahlen und Rückgänge. Das schlimmste dabei ist das nicht absehbar ist, dass sich dieser Trend in den nächsten Jahren umdrehen könnte.
Wo liegt die größte Bedrohung für die Menschenaffen. Wilderei, schwindender Lebensraum, illegale Rodungen etc.?
Zwei Faktoren spielen eine Rolle.
Zum einem das Verschwinden des Lebensraumes.
Wälder werden abgeholzt. Das hat verschieden Gründe. Entweder um das Holz zu nutzen oder um Landwirtschaft zu betreiben. Oder aber und das wird in den nächsten Jahren eine totale Katastrophe werden; nachdem alle großen Palmöl Konzerne so gut wie alle Wälder in Süd-Ostasien platt gemacht haben, wenden sie sich nun Afrika zu. Und hier werden in den nächsten Jahrzehnten Katastrophen in einem Ausmaß geschehen, die wir uns noch gar nicht vorstellen können.
Und dann spielt Wilderei natürlich auch eine Rolle.
Meistens gehen diese beiden Dinge Hand in Hand. Wenn zum Beispiel eine Holzfällerfirma entscheidet, irgendwelche Bereiche zu erschließen, dann müssen zunächst Straßen angelegt werden, in unzugänglichen Gebieten. Und die neuen Wege erlauben Wilderer leichteren Zugang zu Wäldern. Nach dieser Abholzung und Nutzung ist im Prinzip nichts mehr von der Tierwelt übrig die vorher dort gelebt hat.
Was dabei stärker zum Tragen kommt hängt immer auch von der lokalen Situation ab. In der Elfenbeinküste zum Beispiel gibt es nur noch sehr wenig Wald, der wurde schon vor längerer Zeit so gut wie komplett vernichtet. Dort ist die Wilderei ein viel größeres Problem. Einfach aus dem Grund, weil es keinen Wald mehr zur Abholzung gibt.
Andernorts ist durch eine starke Abholzung das Verschwinden des Lebensraums ein viel größeres Problem.
Sie haben viel Zeit in Afrika verbracht, was war ihr beeindruckendstes Erlebnis mit freilebenden Schimpansen?
Da gibt es sogar einen Bezug zum Film, als Caesar mit seinen drei Kumpanen loszieht um diese Militärbasis zu finden. Auf dem Weg treffen Sie dieses kleine Mädchen und kommen in diesen Konflikt, was machen wir, mitnehmen können die Affen das Menschenkind eigentlich nicht, weil diese die Mission eher behindern würde. Schliesslich nehmen sie das Mädchen aber dennoch mit.
Diese Situation habe ich auch tatsächlich bei den Schimpansen in der Elfenbeinküste erlebt, natürlich nicht mit Menschen-, sondern mit Schimpansenkindern. Und das war im Laufe der Jahre öfter zu beobachten. Wenn kleine Kinder ihre Mutter verlieren, dann kommt es recht häufig zu Adoptionen. In manchen Situationen passiert es dann tatsächlich das erwachsene Schimpansenmänner so ein kleines Kind adoptieren und dann in allen möglichen Aspekten die Mutter ersetzen. Da die Männer den Schimpansenkindern keine Brustmilch geben können, betreiben sie sogar noch einen viel größeren Aufwand um Nahrung heranzuholen. Sie tragen auch so ein Schimpansenbaby auf dem Rücken, nehmen es Nachts hoch in ihr Nest um dort oben zusammen zu schlafen.
Das war für mich das beeindruckendste zu sehen. Auch vor dem Hintergrund, das wie in dem Film so ein kleines Kind für einen Erwachsenen Schimpansenmann eigentlich eine große Behinderung darstellt, weil Schimpansenmänner sonst damit beschäftigt sind ihren Rang in der Gruppe zu festigen und in der Verteidigung gegen Nachbargruppen involviert sind. Und wenn man da ein kleines Kind auf dem Rücken hat ist das alles viel schwieriger. Aber wir konnten mehrere Fälle beobachten, in denen diese Schimpansenmänner das über Jahre hinweg gemacht haben. Irgendwann werden diese Kinder selbstständig und haben dann überlebt, in einer Situation wo sie ohne diese Hilfe auf jeden Fall gestorben wären.
Dr. Tobias Deschner ist Primatologe und Wissenschaftler des Max Planck Instituts für evolutionäre Anthropologie in Leipzig und gehört zu dem Forscherteam um Professor Christophe Boesch, das seit über 30 Jahren im Regenwald der Elfenbeinküste das Verhalten von wildlebenden Schimpansen studiert und erstaunliche Erkenntnisse gewonnen hat über ihr Sozialverhalten, ihre Intelligenz, Kommunikation, Lernfähigkeit und den Gebrauch von Werkzeugen.
Dr. Deschner verbrachte einige Jahre im Nationalpark Taï im Südwesten der Elfenbeinküste. Studierte im Dschungel die dort noch verbliebenden frei lebenden Schimpansen.
Seit drei Jahren leitet er das Schimpansenprojekt im Loango-Nationalpark in Gabun.
Seine Erlebnisse sind geprägt von emotionalen, intimen Momenten mit den Affen und schrecklichen Szenen. Von Wilderer die „seine“ Schimpansen wie selbstverständlich abknallen. Krankheiten, die die Affen dahinraffen lassen. Die stetig instabile politische Lage. In Kooperation mit Einwohnern, Regierung, NGO’s und der Welt drumherum, kämpft er nun um den Erhalt unserer nächsten Verwandten.
Mehr Infos und Links zum Thema:
Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie
Abteilung für Primatologie (Department of Primatology)
Wild Chimpanzee Foundation e.V. (WCF Germany e.V.)
The Pan African Programme (PanAf)
Wild Chimpanzee Foundation – Zum Schutz der großen Menschenaffen
Prof. Dr. Christophe Boesch, Direktor der Abteilung für Primatologie am Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie in Leipzig, gründete im Jahr 2000 die Wild Chimpanzee Foundation, deren Präsident er seitdem ist. Deren Ziel ist es, den Erhalt der frei lebenden Schimpansen zu sichern und zu vermeiden, dass der wachsende Bevölkerungsdruck zu einem immer größeren Verlust an Waldflächen im Gebiet des Nationalpark Taï führt.
Weitere Infos zur Forschung, Arbeit der Foundation zum Schutz der Schimpansen und wie man diese Arbeit unterstützen kann, gibt es direkt auf der Webseite: Wild Chimpanzee Foundation.
‚Planet der Affen – Survival‘ – auf DVD/Blu-ray/Blu-ray 3D/4K UHD erhältlich