FilmNews'Colonia Dignidad' - Film gibt Anstoß für Opferhilfe

‚Colonia Dignidad‘ – Film gibt Anstoß für Opferhilfe

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Das Filme etwas bewegen können beweist eindrucksvoll ‚Colonia Dignidad‘ (2016) von Florian Gallenberger.
Der Film um die berüchtigte Sektensiedlung „Colonia Dignidad“ in Chile, die vom deutschen Paul Schäfer (1921-2010) mit harter Hand und Folter angeführt wurde, hat nun zu einem politischen Umdenken geführt.

Im April 2016 bedankte sich der damalige Bundesaußenminister Frank Walter Steinmeier in einer Rede anlässlich einer Sondervorführung, unter denen auch viele ehemalige Bewohner der Sektensiedlung waren bei dem Regisseur:  „Vielen Dank an Regisseur Florian Gallenberger für einen so wichtigen und bewegenden Film. Ohne Sie säßen wir heute nicht hier im Weltsaal des Auswärtigen Amtes. Der Film war der Anstoß, den offensichtlich auch wir brauchten, um uns des Themas Colonia Dignidad und der Rolle der deutschen Botschaft in Chile noch einmal neu anzunehmen.“

Damals beendete Steinmeier mit seiner Rede ein jahrzehntelanges Schweigen des Auswärtigen Amtes um die Rolle der deutschen Diplomatie im diktatorisch geführten Chile der Siebziger- und frühen Achtzigerjahre und leitete einen Politikwechsel ein.

Schon bei dieser Vorführung von ‚Colonia Dignidad‘ gab Steinmeier bekannt, dass bislang streng unter Verschluss gehaltene Akten des Auswärtigen Amtes zur Einsicht frei gegeben werden, um eine späte Aufarbeitung der Verbrechen der deutschen Sektensiedlung in Chile zu ermöglichen. Heute, zweieinhalb Jahre nach diesem Politikwechsel, wurde bekannt, dass der Haushaltsausschuss des Bundestags beschlossen hat, eine Million Euro, mit denen den Opfern der berüchtigten Sektensiedlung geholfen werden soll, im Bundeshaushalt 2019 bereit zu stellen. Geknüpft ist diese Hilfe an ein konkretes ausgearbeitetes Hilfskonzept, welches noch ausgearbeitet wird.

„Das war ein harter Kampf. Ich bin froh, dass dieses so wichtige Ziel jetzt erreicht werden konnte – erstmals werden konkrete Mittel für eine direkte Unterstützung der Opfer im Haushalt zur Verfügung gestellt. Die Opfer von Zwangsarbeit, Folter und Missbrauch bräuchten konkrete Unterstützung, so Michael Brand, menschenrechtspolitischer Sprecher der CDU/CSU-Fraktion. „Es wird Zeit, dass den Worten endlich Taten folgen.“

Der Vorsitzende des Bundestagsausschusses für Arbeit und Soziales, Matthias Bartke (SPD), sagte: „Die schrecklichen Verbrechen in der „Colonia Dignidad“ konnten nur geschehen, weil die deutsche Botschaft in Chile seinerzeit trotz vieler Hilferufe nicht eingeschritten ist.“ Daraus resultiere eine deutsche Verantwortung.

Eine Kommission aus Bundestagsabgeordneten aller Fraktionen und Vertretern der Bundesregierung arbeitet seit Anfang Oktober an einem Hilfskonzept für die Opfer der „Colonia Dignidad“. Bis zum Sommer 2019 soll dann das Hilfskonzept vorliegen.

Anfang Oktober 2018 hatten sich Bundeskanzlerin Angela Merkel und der chilenische Präsident Sebastian Pinera dafür ausgesprochen, die Aufarbeitung der Verbrechen in der „Colonia Dignidad“ fortzusetzen. Im Gespräch sind ein Dokumentationszentrum und eine Gedenkstätte. Die Bundesregierung schlug auch einen Hilfsfonds vor, etwa für psychosoziale Betreuung.

Ein bisheriges vorgelegtes Konzept von der Bundesregierung hatte individuelle Zahlungen an die Opfer noch ausgeschlossen. Dies führte bei vielen Bundestagsabgeordneten zu heftigen Protesten. Mit dem neuen Beschluss für den Haushalt 2019 sollen nun doch Direktzahlungen an die Opfer erfolgen.

Das Haupttor der „Colonia Dignidad“ Siedlung in Parral knapp 400 Kilometer südlich von Santiago in Chile, 1988.

Die von dem Deutschen Paul Schäfer 1961 gegründete Colonia Dignidad diente unter der Pinochet-Diktatur als Folterlager. Aber auch die rund 300 Bewohner erlitten Misshandlungen, mussten Zwangsarbeit leisten, wurden geschlagen und mit Medikamenten ruhiggestellt. Kinder wurden sexuell missbraucht.

In Chile wurde die Führungsriege inzwischen zu Haftstrafen verurteilt. Heute heißt die Siedlung Villa Baviera und hat rund 100 Bewohner. In Deutschland wurde noch kein Täter zur Rechenschaft gezogen. Der in Chile wegen Beihilfe zu Vergewaltigung verurteilte Sekten-Arzt Hartmut Hopp, der sich nach Deutschland abgesetzt hat, muss nicht ins Gefängnis. Das Oberlandesgericht Düsseldorf befand Ende September, dass das chilenische Urteil nicht ausreiche, um in Deutschland eine Strafbarkeit zu begründen.

 

Colonia Dignidad
Hauptdarstellerin Emma Watson und Regisseur Florian Gallenberger

Regisseur Florian Gallenberger, der für ‚Colonia Dignidad‘ mehr als sechs Jahre recherchierte, ist etwas gelungen, was über Jahrzehnte unmöglich war: Der Eintritt in einen offenen Dialog, der in Verbindung mit der Offenlegung der Akten endlich die umfassende historische Aufarbeitung möglich gemacht hat und nun zur Hilfe für die Opfer führt.

„Frank Walter Steinmeier hat als Außenminister nach Jahrzehnten der Vogel-Strauß-Politik dem Auswärtigen Amt einen neuen Umgang mit dem Thema Colonia Dignidad verordnet und die nun bewilligten Hilfsmittel sind die Folge seines Politikwechsels. Dafür bin ich ihm unglaublich dankbar, denn es war immer mein Ziel, die verheerenden Verbrechen innerhalb der Colonia Dignidad nicht in Vergessenheit geraten zu lassen und den Opfern Mitgefühl und Anerkennung entgegenzubringen.“, sagt Gallenberger über die neueste Entwicklung, und fügt hinzu:
„Natürlich können finanzielle Hilfen das jahrzehntelange Leid der Opfer der Colonia Dignidad nicht ungeschehen machen. Doch endlich kommt es zu einer offiziellen  Anerkennung der schrecklichen Zustände in der Sekte auch durch den Deutschen Staat und die Hilfen sind nach wie vor lebensnotwendig für einige der Opfer. Die große Aufgabe – und das ist mir wichtig zu betonen – besteht nun darin, Opfer und Täter innerhalb der Colonia Dignidad zu identifizieren, um sicherzustellen, dass die Zuwendungen nicht genau an die Falschen gehen, denn das käme letztlich einem neuerlichen Missbrauch gleich.“

 

Colonia Dignidad
Emma Watson und Daniel Brühl in ‚Colonia Dignidad‘

Über den Film:

Chile, 11. September 1973. Hunderttausende protestieren auf den Straßen Santiagos gegen General Pinochet, der sich gegen den Präsidenten Salvador Allende an die Macht putscht. Unter den Demonstranten sind auch Lena (Emma Watson), die als Stewardess am Tag zuvor in Chile gelandet ist, und ihr Freund Daniel (Daniel Brühl), der als Fotograf in Santiago lebt. Unzählige werden in den Wirren des Aufruhrs vom Geheimdienst verhaftet,
so auch Daniel und Lena. Daniel wird noch in der Nacht an einen unbekannten Ort verschleppt.
Nach dem ersten Schock versucht Lena herauszufinden, was mit Daniel passiert ist. Doch die Mitstreiter seiner Studentengruppe tauchen unter und auch die Deutsche Botschaft verweigert ihr jede Hilfe. Bei Amnesty International hört sie das erste Mal von der berüchtigten Colonia Dignidad, einer abgeschotteten deutschen Sekte im
Süden Chiles, die enge Verbindungen zum Geheimdienst unterhält: es geht das Gerücht um, dass auf dem Gelände der Colonia Gefangene gefoltert werden – und Daniel vermutlich dort gefangen gehalten wird.
Völlig auf sich allein gestellt, entschließt sich Lena, der mysteriösen Sekte beizutreten und so Daniel wiederzufinden.
Doch schon bald erkennt sie, in welch aussichtslose Situation sie geraten ist, denn noch nie ist jemandem die Flucht aus der Colonia gelungen…

Oscar-Gewinner Florian Gallenberger (‚John Rabe‘) verbindet in ‚Colonia Dignidad‘ einen Thriller mit einem bewegenden Drama vor dem Hintergrund wahrer Ereignisse.
Vor der Kamera sind Emma Watson, Daniel Brühl und Michael Nyqvist als Sektenführer Paul Schäfer zu sehen.

 

‚Colonia Dignidad‘ auf DVD/Blu-ray erhältlich
Colonia Dignidad Colonia Dignidad

© Majestic

 

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