Lady Gaga und Tony Bennett veröffentlichen noch einmal ein gemeinsames Album mit Jazz-Standards. Zuerst fragen sich dabei viele, wieso. Die Antwort hat zu tun mit einer ungewöhnlichen Freundschaft und einer gnadenlosen Krankheit.
Viel größer geht es für ein Duo nicht – viel weiter im Alter auseinander allerdings auch kaum. Er: 95 Jahre alt, 19-facher Grammy-Preisträger und einst von Frank Sinatra der „beste Sänger im Business“ genannt. Sie: sechzig Jahre jünger, 150 Millionen verkaufte Tonträger und seit 15 Jahren als Schauspielerin, Sängerin und Komponistin die vielseitigste Künstlerin ihrer Generation. Tony Bennett und Lady Gaga verbindet eine der ungewöhnlichsten Freundschaften im Showgeschäft. 2011 haben sich beide erstmals bei einer Gala getroffen, dann ein erstes gemeinsames Lied für ein Duett-Album von Bennett aufgenommen und schnell beschlossen, ein komplettes Album zusammen aufnehmen zu wollen. 2015 kam „Cheek to Cheek“ mit Jazz-Standards, erreichte in den USA die Nummer eins der Charts und gewann einen Grammy.
Sechs Jahre später erscheint nun am 1. Oktober ein weiteres Album der beiden. Es trägt den Titel „Love for Sale“, ist mit zwölf Coversongs ein Tribut an den Jazzkomponisten Cole Porter – und die Begleitumstände könnten nicht bittersüßer sein, denn es soll nach über 60 Platten Bennett letztes Album werden. Vor fünf Jahren ist bei ihm Alzheimer diagnostiziert worden, im Februar dieses Jahres haben er und seine Familie die Krankheit im US-Magazin AARP öffentlich gemacht. Dabei wurde klar, dass der Gedächtnisverlust Bennetts bereits fortgeschritten ist. Lady Gaga hat sich nach knalligem Kirmes-Pop zu Beginn ihrer Karriere inzwischen längst den Ruf einer exzellenten Musikerin und Sängerin erarbeitet, die mit ‚A Star is Born‘ auch einen großen Schauspielerfolg feierte und deren neuer Film ‚House of Gucci‘ über das italienische Modeimperium bereits in den Startlöchern liegt.
Wer die vorab veröffentlichten Songs und Videos des neuen Albums hört und sieht, spürt schnell die besondere generationenübergreifende Verbindung der beiden. Sie lachen, sie schäkern, sie schauen einander mit viel Wärme an – zwei der größten ihres Metiers lassen hier die Funken sprühen. Eine vorab ausgekoppelte Version von „I Get a Kick Out of You“ ist klassisch inszeniert: ein schleichendes Barklavier zu Beginn, über das die beiden säuselnd croonen, dann eine einsetzende Swing-Band, in der Trompeter den Wechsel-Gesang der Stars unterstützen. Im noch ruhiger beginnenden „Love For Sale“ klingen Bennetts Parts wie von einem Jahrzehnte jüngeren Sänger, durchbrochen von langen Saxophonläufen. Nicht alle Songs des Albums singen beide gemeinsam, auch Solostücke sind darunter.
Innovativ ist das alles in der Summe nicht, aber darum geht es auch nicht. Die handwerkliche Exzellenz und die Starqualitäten der Beteiligten sind durchweg spürbar. Das waren sie auch bereits Anfang August, als die beiden zusammen in New Yorks berühmter Radio City Music Hall zu zwei Konzerten luden, die nun als letzte Auftritte Bennetts gelten. Titel der Abschiedsabende: „One Last Time“ – ein letztes Mal. Bennett verdiente sich für Standards wie „Fly Me to the Moon“ und „This Is All I Ask“ stehende Ovationen, unter anderem auch vom ehemaligen US-Präsidenten Bill Clinton und seiner Frau Hillary. Die Rührung des Publikums angesichts plötzlich doppeldeutiger Songzeilen soll groß gewesen sein.
„And let the music play as long as there’s a song to sing / And I will stay younger than spring“, hat Bennett gesungen. Zu Deutsch: „Und lass die Musik so lange spielen, wie es ein Lied zu singen gibt / Und ich werde jünger bleiben als der Frühling“.