Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier will sich an diesem Dienstag über die Lage der Kultur vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie informieren. „Kultur ist Lebensmittel – Überleben der Kultur in der Corona-Krise“ – unter diesem Motto spricht der Bundespräsident mit dem Regisseur Andreas Dresen (Gundermann) und dem Vorsitzenden der Arbeitsgemeinschaft Kino – Gilde deutscher Filmkunsttheater, Christian Bräuer, im Berliner Kino International. Die Filmindustrie gehört zu den von den Corona-Einschränkungen schwer betroffenen Branchen. Mitte März hatten Kinos schließen müssen, um die Ausbreitung des neuartigen Coronavirus zu verhindern. Die Verbände warnen vor einem Kinosterben.
Als das Treffen im Kino International in Berlin am Mittag beendet war, fasste Frank-Walter Steinmeier vor der Presse die Lage der deutschen Filmbranche zusammen: “Vielleicht ist doch vielen im Land klar geworden, dass die heimatliche Couch das Kino nicht ersetzen kann”. Die Streamingdienste könnten mit dem Kinoerlebnis nicht mithalten, so die Botschaft.
Ab 2. Juli können Kinos unter Einhaltung der Hygiene- und Abstandsregeln und mit einer maximalen Auslastung von 20 Prozent wieder öffnen. Doch Kinos und Produktionsfirmen sind durch die Corona-Krise massiv unter Druck geraten. Der Bundespräsident suchte nun das Gespräch mit Vertretern der Filmbranche. Er selbst sei ein „alter Kinogänger“ und freue sich, dass die Lichtspielhäuser wieder öffnen dürfen, so Steinmeier.
Regisseur Andreas Dresen äußerte sich zur aktuellen Lage folgendermaßen: „Die 120 Millionen Euro aus dem Konjunkturprogramm der Bundesregierung, die der Filmbranche zugute kommen, sind nicht mehr als ein Tropfen auf den heißen Stein.“ Zu viele Bereiche, von den Kinos als Spielstätten bis hin zu den Produktionsfirmen und Verleihern, müssten mit diesem Geld ihr Überleben sichern.
Der Film sei ein nationales Kulturgut, die Kinos soziale Treffpunkte, so Dresen. Große Teile der Branche bestehen aus mittelständischen Firmen und „eine ganze Reihe davon befindet sich in großer Not“. Zwar seien inzwischen einige Produktionen wieder gestartet, doch die Bedingungen für die Dreharbeiten seien enorm schwierig. „Sobald es am Set zu einer Corona-Erkrankung kommt, herrscht Stillstand. Es geht nichts mehr. Und die Filmausfall-Versicherungen lehnen es im Pandemie-Fall ab, einzuspringen“, erklärt Dresen die heikle Ausgangslage.
Die Filmbranche fordert seit längerer Zeit einen Filmausfallfonds, der einspringt: „Geld für den Katastrophenfall“, nennt es Dresen. International gäbe es dafür durchaus gute Beispiele: In Österreich, in Australien, Kanada und Frankreich seien solche Regelungen eine große Hilfe.
Für Dresen sei dennoch sowohl das Konjunkturpaket als auch das Treffen mit dem Bundespräsidenten das richtige Signal: „Die Politik zeigt eine große Bereitschaft, den Kulturbereich zu unterstützen. Aber momentan ziehen alle Branchen von allen Seiten an den Politikern und wollen Geld“, beschreibt Dresen das Dilemma der deutschen Regierung bei der Verteilung der staatlichen Zuwendungen. Kultur käme oft erst an hinterer Stelle.
Es sei wichtig, „die Dominanz von großen, meist amerikanischen Streamingdiensten“ zu stoppen und sowohl die hiesige Filmproduktion als auch das Kino als „wichtiges nationales Kulturgut“ zu verstehen. In Frankreich sei der Film Nationalkultur, hier wünsche sich Dresen „größere Ernsthaftigkeit im Umgang mit dem Film“.
Dass es in naher Zukunft und bei den Produktionen, die nun während der Corona-Krise realisiert werden, Einschränkungen der Kreativität geben wird, glaubt Dresen indes nicht. „Wir leben von der Illusion, das ist unser Kerngeschäft“. Liebesszenen und Küsse zwischen Protagonisten werde es weiterhin geben, trotz Abstandsgeboten – „es ist im realen Leben schon viel zu schmerzhaft, auf Umarmungen verzichten zu müssen, dann sollten Zuschauer das nicht auch beim Film ertragen müssen“.