Lange dachten die Kinobetreiber, mit dem Sommer würde vieles einfacher. Nun steckt Deutschland im nächsten Coronawinter. Die Besuchszahlen gehen wieder zurück. Drohen weitere Turbulenzen in der Filmbranche?
Mit Filmen wie dem neuen ‚James Bond‘-Abenteuer haben die deutschen Kinos ein Millionenpublikum gelockt. Aber auch 2021 ist für die Branche ein schwieriges Jahr gewesen. Nach einem monatelangen Lockdown öffneten viele Filmtheater erst im Sommer wieder. „Ein halbes Jahr – gar kein Kino“, sagte Verbandschefin Christine Berg vom HDF Kino in Berlin. Sie hätten Sorgen gehabt, dass die Menschen danach vielleicht nicht mehr ins Kino gehen. „Aber die Menschen sind gekommen“, so Berg. Seit Juli seien rund 38 Millionen Kinokarten verkauft worden. Berg beruft sich auf Daten eines Branchenanalysedienstes. Bis zum Jahresende könnten damit ähnlich viele Tickets verkauft werden wie 2020.
Im Vergleich zu den Jahren vor der Pandemie wären die Verkaufszahlen damit aber noch immer dramatisch eingebrochen. „Die Leute haben Lust auf Kino“, sagte Berg. Ähnlich bewertet das Christian Bräuer. Er ist Kinobetreiber aus Berlin und leitet den Verband AG Kino – Gilde, der Programmkinos in Deutschland vertritt. „Man spürte den Wunsch auf die große Leinwand“, sagte Bräuer.
Und welche Filme haben die Menschen geschaut? Daniel Craigs letzter Auftritt als James Bond – ‚Keine Zeit zu sterben‘ – stand weit oben auf der Liste. Berg hat das gefreut, aber auch etwas überrascht. „Der ist so oft verschoben worden – da hätte es auch sein können, dass die Leute sagen: „Och nö, das ist ja fast ein alter Film.““ Stattdessen habe sich gezeigt, dass die Reihe funktioniere.
Bräuer nennt auch den Science-Fiction-Film ‚Dune‘, die Fortsetzung von ‚The Fast and the Furious‘ sowie den neuen „Spider-Man“-Film ‚No Way Home‘. Das erzählt auch Christine Berg. Das Wochenende Mitte Dezember sei wegen dieses Films nochmal ein gutes gewesen – von rund 1,2 Millionen Besucherinnen und Besuchern hätten rund 900 000 „Spider-Man“ geguckt. Insgesamt gehen die Zahlen aber wieder zurück. Im vierten Quartal habe sich die Lage wieder verschärft, sagte Bräuer. Älteres Publikum zum Beispiel sei vorsichtiger geworden.
Derzeit gebe es auch regional massive Unterschiede. In Sachsen sind Kinos beispielsweise geschlossen, an manchen anderen Orten gilt 2G plus Test – es haben also nur Geimpfte und Genesene Zutritt, die dann zusätzlich noch einen negativen Coronatest mitbringen. Dass man zusätzlich einen Test benötigt, hatte die Branche mehrfach kritisiert. Berg findet es ärgerlich, dass die Kinobranche anders behandelt werde als die Gastronomie.
Auch einige Filmstarts sind wieder verschoben worden. In der Filmbranche greifen viele Rädchen ineinander – für Verleiher lohnt es oft nur dann, einen neuen Film ins Kino zu bringen, wenn er an möglichst vielen Orten läuft und Chancen auf entsprechendes Publikum hat. Der „James Bond“-Film und andere große Produktionen etwa waren mehrfach verschoben worden. Auch jetzt werden manche Titel vorerst ausgesetzt. Nach Einschätzung von Berg ist das bisher aber kein so großes Problem wie zu Beginn der Pandemie. Sie freue sich 2022 auf Titel wie den Animationsfilm ‚Sing‘, die Komödie ‚Liebesdings‘, Karoline Herfurths neuen Film ‚Wunderschön‘ und den Actionfilm ‚Top Gun: Maverick‘, auch der war mehrfach verschoben worden.
Berg schaut nach eigenen Angaben aber auch mit Sorge auf das nächste Jahr. Denn für gewöhnlich verdienen Kinos vor allem im Winter ihr Geld – im Sommer ist an den Ticketkassen und Popcorntresen weniger los. Diesmal könnten sie beim Geschäft im Winter aber wegen der Pandemie nicht vorbauen für den Sommer. Nach Einschätzung des Programmkinochefs Bräuer verschärft sich mit der Pandemie ein Trend, den es vorher schon gegeben habe. Nämlich der Trend zu wenigen Kinohits. Eventfilme wie „James Bond“ oder „Spider-Man“ liefen immer besser, auch wegen großer Marketingbudgets, sagte Bräuer. Auch im Arthouse-Kino gebe es solche Erfolge etwa mit ‚Parasite‘ oder ‚Nomadland‘. Auch der Dokumentarfilm ‚Die Unbeugsamen‘ über Politikerinnen in der Bonner Republik sei gut gelaufen, sagt Bräuer. Bei dem Film sei vieles zusammengekommen: Der Film sei gut, außerdem sei die damalige Kanzlerin Angela Merkel bei der Premiere gewesen und die Bundestagswahl habe angestanden. Er glaubt, dass die Branche mehr über solche Dinge nachdenken muss. Man müsse sich Gedanken machen, wie man die Vielfalt anspruchsvoller Filme herausbringe.