Rassismus manifestiert sich in vielen kleinen Alltagsdingen. Das zeigt auch die neue Komödie von Sönke Wortmann. In ‚Contra‘ wird eine Studentin von ihrem Professor offen im Hörsaal diskriminiert. Zur Sühne soll er sie auf einen Debattierwettbewerb vorbereiten.
Es ist ein beliebtes Filmthema: Zwei Menschen sind sich zutiefst unsympathisch, müssen aber aufgrund äußerer Zwänge kooperieren und lernen überraschende Seiten am jeweils anderen kennen. Darum geht es auch in Sönke Wortmanns Komödie ‚Contra‘, die ein ernstes Thema unterhaltsam und doch tiefgründig nahebringt.
Ein zynischer Rhetorikprofessor überzieht darin die Studentin Naima in der Vorlesung mit rassistischen Bemerkungen und macht sich über sie lustig. Um den Disziplinarausschuss gnädig zu stimmen, soll er sie deshalb auf einen bundesweiten Debattierwettbewerb vorbereiten. Ein schwieriges Unterfangen, denn bei beiden sind die Widerstände gegen die Zusammenarbeit ziemlich groß.
Grundlage ist der französische Film ‚Die brillante Mademoiselle Neila‘, der 2018 ins Kino kam. Daniel Auteuil spielte damals den wortgewandten Professor, der die Studentin Neila wegen ihrer algerischen Wurzeln fertig macht. Ein älterer, verbitterter weißer Mann und eine junge Frau mit Migrationshintergrund aus der berüchtigten Vorstadt – für die Constantin Film Produktion eine spannende Konstellation, die sie auf deutsche Verhältnisse übertragen wollten.
Statt in Paris spielt ‚Contra‘ in Frankfurt am Main. Christoph Maria Herbst (‚Der Vorname‘) verkörpert den Rhetorikprofessor Richard Pohl. Für die Rolle der Studentin fiel die Wahl auf Nilam Farooq, bekannt aus Filmen wie ‚Du Sie Er & Wir‘ oder ‚Rate your Date‘ und als langjährige TV-Kommissarin in der ZDF-Krimireihe ‚SOKO Leipzig‘.
Für Naima geht mit ihrem Jurastudium ein Traum in Erfüllung. Sie will Anwältin werden und hofft, ihrer Mutter und ihren Brüdern dadurch ein besseres Leben bieten zu können. Endlich in Deutschland ankommen und nicht nur mit Bleiberecht geduldet werden! Und dann das: „In meinem Kulturkreis bedeutet Pünktlichkeit noch etwas“, wirft Professor Pohl Naima an den Kopf, als sie wenige Minuten zu spät in die Vorlesung kommt. Naimas Kommilitonen filmen Pohls peinlichen Auftritt, der in den sozialen Medien bald für Aufsehen und Entsetzen sorgt. Mit dem Professor will Naima nach dieser schmerzlichen Erfahrung nichts mehr zu tun haben. Doch dann erkennt sie die Chance, die ihr die Teilnahme am Debattierwettbewerb bietet, zumal sie rhetorisch sehr talentiert ist. Auch Pohl hat zunächst keine Lust, die Studentin zu schulen, sieht aber keine andere Möglichkeit, seiner drohenden Suspendierung zu entgehen. Widerwillig lassen sich beide auf das gemeinsame Training ein und lernen am jeweils anderen überraschende Seiten kennen. Alles läuft bestens, bis Naima die wahren Beweggründe für die Hilfsbereitschaft des Professors herausfindet: Nicht etwa Überzeugung und Reue, sondern Eigennutz.
‚Contra‘ kommt um manche Klischees nicht herum. Doch Wortwitz und Feingefühl für leise Zwischentöne machen die Komödie sehenswert. Auf unterhaltsame Weise führt der Film vor Augen, dass es eben nicht nur die großen Dinge sind, in denen sich Rassismus und Diskriminierung äußern. Es sind viele kleine Begebenheiten, unüberlegte Bemerkungen, Blicke, Verhaltensweisen, die Menschen ausgrenzen und verletzen. Kein „Man darf doch wohl noch sagen“ oder „Das war doch nicht so gemeint!“ – hier bezieht der Film eine eindeutige Position und stellt klar, dass jeder Mensch eine Würde besitzt, die niemand verletzen sollte, nicht mal im Scherz. Im Vergleich zur französischen Vorlage ist ‚Contra‘ aber deutlich harmloser.
‚Contra‘ – Kinostart 28. Oktober 2021