An stillen Feiertagen dürfen bestimmte Filme nicht öffentlich gezeigt werden. Damit soll der „ernste Charakter“ dieser Tage gewahrt werden. Doch das gilt nur im Kino, nicht fürs Fernsehen und Streaming. Ist das noch zeitgemäß? Kritiker bezweifeln das.
Wenn man am Karfreitag durch die Fernsehsender schaltet, könnte man theoretisch auf den fünften ‚Rambo‘-Film stoßen oder die Satire ‚Das Leben des Brian‘. Im Kino aber, da dürften diese Werke gar nicht laufen – denn sie haben keine Feiertagsfreigabe. Auch der Rühmann-Klassiker ‚Die Feuerzangenbowle‘ war lange tabu. Nur mit einer Feiertags-Freigabe dürfen Filme an sogenannten stillen Feiertagen öffentlich aufgeführt werden. Sie gilt für Kinos, aber nicht für TV und Streaminganbieter. Für Kritiker klingt das absurd und unzeitgemäß. „Der Hintergrund sind Regelungen, die noch aus der Weimarer Republik stammen“, erklärt Stefan Linz, Geschäftsführer der Freiwilligen Selbstkontrolle der Filmwirtschaft (FSK) in Wiesbaden. Damals unterlagen stille Feiertage einem besonderen gesetzlichen Schutz. „Nach der Gründung der Bundesrepublik Deutschland wurden diese Regelungen leicht verändert übernommen.“
Als stille Feiertage gelten je nach Land etwa der Karfreitag, Allerheiligen, Buß- und Bettag, Volkstrauertag und Totensonntag. Konkret bedeutet das: Beantragt ein Verleih eine Feiertags-Freigabe, entscheidet ein FSK-Gremium darüber. Dabei berücksichtigt die FSK die Ländergesetze – und demnach dürfen an stillen Feiertagen nur solche Filme öffentlich vorgeführt werden, bei denen der „ernste Charakter“ dieser Tage gewahrt ist. Laut FSK variiert die genaue Formulierung, verfolgt aber letztendlich eine ähnliche Idee.
Dass es die Beschränkungen fürs Kino, aber nicht für den Rundfunk oder andere Vertriebswege wie DVDs oder Online-Angebote gebe, sei nur so zu erklären, dass die Gesetze aus einer anderen Zeit stammten und nie angepasst wurden, so die Einschätzung von FSK-Geschäftsführer Linz. „Aus heutiger Sicht ist es nicht mehr nachvollziehbar“, sagt er. „Das macht keinen Sinn“. Hinzu komme, dass man sich gerade im Kino bewusst für einen Film entscheide, während man beim Zappen im Fernsehen auch ungewollt etwas sehen könne. Trotzdem bleibt diese Regelung bislang bestehen – und sorgt dafür, dass weiterhin Filme keine Feiertags-Freigabe erhalten.
Wie zum Beispiel 2019 ‚Rambo: Last Blood‘. In der Begründung hieß es laut FSK: „Zahlreiche inszenierte Tötungsszenen und insbesondere die Schlussszene stehen dem Ernst der stillen Feiertage entgegen.“ Auch bei der Agentenkomödie ‚Kingsman – The Golden Circle‘ gab es 2017 wegen der „unzureichenden Berücksichtigung der Perspektive der Opfer der Gewalt“ eine Absage. Der umstrittene und nicht wirklich gewaltfreie Film ‚Antichrist‘ von Lars von Trier hingegen erhielt 2009 eine Feiertagsfreigabe.
Überhaupt ist die Zahl der Freigaben im Laufe der Jahrzehnte stark gestiegen: In den 1950er Jahren wurden noch 60 Prozent aller Kinofilme als „nicht feiertagsfrei“ gewertet. Diese Zahl sank kontinuierlich, etwa auf 50 Prozent in den 70er und 30 Prozent in den 80er Jahren. Seit 2000 erhält im Schnitt nur noch ein Prozent der beantragten Kinofilme keine Feiertagsfreigabe. Außerdem kann ein Werk später noch einmal neu beurteilt werden – und dann eine Freigabe erhalten. So war es beispielsweise bei ‚Die Feuerzangenbowle‘ von 1944 mit Heinz Rühmann. Der „lustspielhafte Charakter“ führte bei der Erstprüfung dazu, dass die FSK einer Feiertags-Freigabe widersprach. 1980 erfolgte eine neue Prüfung, seitdem dürfte die Komödie doch am Karfreitag im Kino laufen.
Ein Film allerdings steht seit langer Zeit auf der Liste: Die überdrehte Satire ‚Das Leben des Brian‘, in der die britische Komikergruppe Monty Python die Zeit von Jesus Christus aufs Korn nimmt, erhielt 1980 keine Feiertagsfreigabe. Die „Persiflage von biblischen Geschichten“ widerspreche dem ernsten Charakter, befand die FSK damals.
Die Initiative Religionsfrei im Revier fordert eine konsequente Trennung von Staat und Kirche und wehrt sich unter anderem dagegen, dass bestimmte Filme am Karfreitag nicht vorgeführt werden dürfen. „Für religionsfreie Menschen ist das eine Provokation“, findet Martin Budich von der Initiative. An diesem Tag müssten doch nicht alle Menschen traurig sein, sagt er. Mehrere Jahre lang habe man deswegen am Karfreitag ‚Das Leben des Brian‘ gezeigt. „Der Film ist ein Beispiel, wie Kirchenprivilegien unser Verhalten einschränken“, sagt er. Deutschland sei ein pluralistischer Staat. Dass es trotzdem Feiertags-Freigaben für Filme gebe, „ist etwas völlig Absurdes“.