„David Copperfield“ kehrt auf die Leinwand zurück. Getragen wird diese Neuverfilmung von einer Menge Fantasie und einem bestens aufgelegten Star-Ensemble.
Ein Klassiker der Weltliteratur, der auch auf der Leinwand immer wieder zu neuem Leben erweckt wird: „David Copperfield“ von Charles Dickens. Braucht es da wirklich noch eine weitere Verfilmung des autobiografisch geprägten Romans? Nun, wenn sie so frisch und originell, so voller Fantasie und Einfallsreichtum – und so divers umgesetzt wird, wie das Regisseur Armando Iannucci (‚The Death of Stalin‘) mit ‚David Copperfield – Einmal Reichtum und zurück‘ gemacht hat, dann ist die Antwort einfach. Und die klassische Geschichte eines Menschen, der sich allen Widerständen und Standesdünkeln zum Trotz aus den Niederungen des Seins nach oben arbeitet, scheitert, sich aber wieder berappelt – das ist auch 170 Jahre nach Erscheinen des Romans nicht überholt. Man muss diese altbekannte und zutiefst menschliche Geschichte nur richtig mit Leben füllen, was Armando Iannucci federleicht gelingt – nicht zuletzt wegen einer ganzen Riege exzellenter Schauspieler, die sich hier mit all ihren Facetten austoben dürfen.
Hugh Laurie (‚Dr. House‘) schlüpft in die Rolle des faszinierenden Mr. Dick, dessen Haare so wirr wie sein Verstand sind, der aber auch viel Sinn für Poesie besitzt: „Mein Geist ist so klar wie eine Seifenblase“. Und er weiß Dinge auf den Punkt zu bringen: „Hallo, ich bin Mr. Dick. Ich habe eine Vorliebe für Lebkuchen.“
Zu Mr. Dick passt hervorragend die exzentrische Tante Betsey, eine Rolle, die für Tilda Swinton (‚The Dead Don’t Die‘) maßgeschneidert ist. Und mit seinem unverzagten Optimismus scheint sich der quirlige Hauptdarsteller Dev Patel direkt aus dem „Best Exotic Marigold Hotel“ ins 19. Jahrhundert gebeamt zu haben. Mal heißt er Davidson, dann Cropwood Trotterfield oder Trotwood Copperfield – bis er sich als David Copperfield findet, ist es ein weiter und mühseliger Weg. Denn da ist der fiese Uriah Heep, der aussieht wie ein verschollener Bruder der Three Stooges und so teuflisch ist wie Nosferatu. Ben Whishaw, den man vor allem auch als genialen Tüftler Q aus den James-Bond-Filmen kennt, spielt ihn mit teuflischer Präsenz – er gibt der Boshaftigkeit der Menschen ein abgründiges Gesicht.
Natürlich ist David Copperfield auf seinem steinigen Weg zum Schriftsteller vom Leben gebeutelt, vom Elend bedrängt und der Armut geprägt, aber Iannuccis „Copperfield“» gewinnt durch die Kraft der Fantasie und des charmant-bizarren Personals eine ungeheure Leichtigkeit. In dem Sozialdrama kommt der Spaß wahrlich nicht zu kurz. Dabei verschwimmen, der Vielschichtigkeit des Romans verpflichtet, immer wieder die Grenzen zwischen der Magie der Filmbilder und der Einbildungskraft David Copperfields, der als Ich-Erzähler und Dichter die Wirklichkeit schöner machen will. Ein einfallsreiches Vexierspiel mit immer wieder überraschenden Spots. Da wird der schönste Ort der Welt plötzlich zum Miniaturwunderland, als eine Riesenhand die Größenverhältnisse auf den Kopf stellt. Charaktere entpuppen sich im Nachhinein als Hirngespinst des Schriftstellers und zwischendrin wähnt man sich auch mal kurz in die Anfänge des Stummfilms zurückversetzt. Ein Flug durch Zeit und Raum, durch Innen- und Außenwelten, der „David Copperfield“ zu einem großen und einfallsreichen Vergnügen macht.
‚David Copperfield – Einmal Reichtum und zurück‘ – Kinostart 24. September 2020
116 Minuten