Üppige Ballkleider, große Empfänge und die Suche nach der großen Liebe: So weit, so normal für eine Historien-Serie. ‚Bridgerton‘ ist spannend und wunderschön, aber mit Makeln.
Welch ein Druck für diese jungen Frauen! Es steht viel auf dem Spiel. Familie für Familie werden die höheren Töchter vor der Ball-Saison im England des frühen 19. Jahrhunderts Königin Charlotte vorgeführt. Welche Debütantin wird sie besonders mit Lob überhäufen? Die Wahl fällt auf Daphne Bridgerton, die in Worten der Königin „makellos“ ist. Dementsprechend rechnet sich ihre Familie gute Chancen für eine vorteilhafte Eheschließung aus. So beginnt die Netflix-Serie ‚Birdgerton‘, die nach Angaben des Streaming-Anbieters schon jetzt einer seiner größten Hits ist. Man könnte auch sagen: ‚Gossip Girl‘ trifft auf Jane-Austen-Klassiker wie ‚Stolz und Vorurteil‘. Denn die Handlung wird maßgeblich von der mysteriösen Lady Whistledown angetrieben, die die Geheimnisse der hohen Gesellschaft in ihren Rundschreiben ausplaudert.
Die Besetzung der Serie löste jedoch eine Debatte über die historische Genauigkeit aus. Denn die Darstellerin von Königin Charlotte, Golda Rosheuvel, ist, wie ein großer Teil des restlichen Casts, schwarz. Der Adel im England dieser Epoche war aber von Menschen mit weißer Hautfarbe geprägt, wie Kritiker bemängeln. Andererseits: Die These, dass die echte Königin Charlotte afrikanische Vorfahren hatte und schwarz gewesen sein könnte, wird unter Historikern und Historikerinnen ernsthaft diskutiert. Außerdem ist ‚Bridgerton‘, das auf Historien-Romanen der Autorin Julia Quinn basiert, eine romantische Fantasie. Im Hintergrund laufen beispielsweise auch klassisch instrumentalisierte Versionen von Songs der Popstars Billie Eilish und Ariana Grande. Quinn jedenfalls hat kein Problem damit, dass einige ihrer weißen Figuren in der Serie schwarz sind. „Ich finde es wunderbar und bin voller Freude“ sagte sie der Zeitung Guardian in einem Interview.
Doch auch von anderer Seite gab es Kritik: Denn wer zuerst annehmen könnte, dass Rassismus und Sklaverei in dieser fiktiven Welt keine Rolle spielen, wird in einer Szene eines Besseren belehrt. Dort wird deutlich, dass Schwarze im ‚Bridgerton‘-Universum offenbar erst seit dem Aufstieg von Königin Charlotte so etwas wie Gleichberechtigung erfahren. Wie die Situation vorher war? Ob diese Konflikte wirklich beigelegt sind? Das wird im Rest der Serie so gut wie gar nicht thematisiert. Man könne nicht sagen, dass diese Thematik keine Rolle spiele, wenn die Welt, in der die Figuren leben, zum Teil durch Rassismus geschaffen wurde, kritisierte Carolyn Hinds im Observer.
Produzentin Shonda Rimes (‚Grey’s Anatomy‘) und Serien-Schöpfer Chris Van Dusen (‚Scandal‘) gelingt trotzdem eine wunderschön inszenierte, modern angehauchte und unterhaltsame Serie mit den genannten Makeln. Die Liebesgeschichte zwischen der unvergleichlichen Daphne Bridgerton (Phoebe Dynevor) und dem eigentlich heiratsunwilligen Herzog von Hastings (Regé-Jean Page) geht durch zahlreiche Irrungen und Wirrungen. Auch die Geschichten der liebenswerten Nebencharaktere sind spannend erzählt.