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Alles ist nicht genug: Jude Law als Finanzhai in ‚The Nest‘

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In dem britisch-kanadischen Drama ‚The Nest‘ macht Jude Law als Finanzhai im London der 80er Jahre seinen Kunden, seinen Kollegen, seiner Familie und sich selbst etwas vor. Das kann nicht gut gehen.
Vor 35 Jahren erlebte der britische Finanzmarkt eine Erschütterung, die von den Briten ‚Big Bang‘ genannt wird. Auf Wirken der damaligen Premierministerin Margaret Thatcher wurde die Londoner Börse am 27. Oktober 1986 dereguliert. Die Folge waren zahlreiche Übernahmen traditioneller Unternehmen durch große Banken aus dem In- und Ausland. Vor dem Hintergrund des sich verändernden Finanzmarkts in den 80er Jahren spielt nun auch der Film ‚The Nest – Alles zu haben ist nie genug‘ des kanadischen Regisseurs und Autors Sean Durkin.
Der Brite Jude Law (‚Der talentierte Mr. Ripley‘) und die Amerikanerin Carrie Coon (‚Die Verlegerin‘) spielen die Hauptrollen in dem ruhig erzählten, aber intensiven Drama, das wie ein verfilmtes Kammerspiel wirkt. Law ist der scheinbar wohlhabende, intrigante Geschäftsmann Rory O’Hara, ein liebevoller Familienvater, der es aber mit der Wahrheit nicht so genau nimmt, jedenfalls wenn es um die Finanzen geht. Gelangweilt und weitestgehend beschäftigungslos überzeugt der Finanzhai seine amerikanische Ehefrau Allison (Coon), mit den beiden Kindern von New York nach England zu ziehen, weil sich in seiner ehemaligen Firma in London eine vielversprechende Chance bietet. Widerwillig stimmt Allison dem vierten Umzug in zehn Jahren zu. In England mietet Rory für die vierköpfige Familie ein gigantisches, luxuriöses Anwesen auf dem Land. „Led Zeppelin haben hier gewohnt, als sie ein Album aufgenommen haben“, schwärmt er. Wer hat, der kann. Aber hat Rory? Er kauft seiner Frau teure Geschenke, schickt die Kinder auf teure Privatschulen und verspricht das große Geld aus einem bevorstehenden Deal. Doch das Geschäft hakt, und das Geld lässt auf sich warten. Zweifel an Rorys Versprechungen bestätigen sich für Allison, als die Handwerker wegbleiben, weil sie nicht bezahlt wurden. Dann will sich Rory sogar Geld von ihr leihen. Obendrein sind die Kinder – und auch Allison – einsam und unglücklich in der neuen englischen Heimat. In der elitären Oberschicht sind die Freundschaften oberflächlich. Während Rory seine Frau auf prätentiöse Dinnerparties mitnimmt und gegenüber potenziellen Kunden bei teuren Geschäftsessen von einem Leben in New York City prahlt, dass die beiden nie geführt haben, werden die Risse in ihrer Ehe langsam, aber sicher immer größer. Die private Situation eskaliert zunehmend, und auch beruflich rutscht Rory unaufhaltsam in die Krise.

Es brodelt von Anfang an in Durkins elegantem Film. Von ruhiger Klaviermusik und Jazzklängen begleitet, schildert der kanadische Filmemacher die persönliche und weitestgehend selbstverschuldete Tragödie eines Mannes, der nicht nur seinem Umfeld, sondern auch sich selbst etwas vormacht. Dezent beleuchtet der Regisseur und Autor, der auch Autobiografisches einfließen ließ, Rorys Vergangenheit, über die selbst seine Familie kaum Bescheid weiß. Dass der Film in den 80er Jahren spielt, erkennt man nur gelegentlich an der Musik, der Computerausstattung in Rorys Büro und an den fehlenden Mobiltelefonen. Durkin inszenierte die Geschichte, die sich sicher gut als Theaterstück umsetzen ließe, ohne Effekthascherei und Klischees. Dass es fast anstrengend mitanzusehen ist, wie das vermeintlich idyllische Familienleben den Bach runtergeht, spricht für den Film. Die schauspielerische Leistung des bühnenerfahrenen Duos Law und Coon macht ‚The Nest‘ zu einem fesselnden Drama, das unter die Haut geht. Einziges Manko: Das Ende kommt etwas abrupt.

‚The Nest‘ – Kinostart 8. Juli 2021

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